Tir Thuatha 

 

Liebe, Leben, Sterben lassen, Seelenbrand in dunkler Nacht
 
Ich wache auf, sitze in meinem kryischen Zelt. Die letzten Jahre habe ich meinen Stamm durch Tir Krye begleitet, um mehr zu erfahren. Mehr über das Leben, mehr über das Volk, mehr über mich. Ich bin eins mit mir, und ich möchte nie mehr zurück. Gestern bin ich, wie jeden Abend, nach einem guten Gespräch und einem noch besserem Essen eingeschlafen. Seit dem Frieden mit den Danannain ist das Leben angenehm geworden in Tir Krye. Die wilden Nordkrieger spucken nach wie vor aus, wenn sie uns sehen, doch weder die Dananainn noch die Krye können es leugnen, es macht sich fast so etwas wie Sympathie zwischen uns breit. 
 Ich geniesse die Situation, und bewundere das Verhalten der Danannain, die wie zufällig andere Wege einschlagen, um uns nicht zu konfrontieren. So bleibt beiden Völkern die wichtigsten Güter erhalten, die Freiheit und...der Stolz.
 Es ist so hell draußen, unnatürlich weißes Licht weckt mich und treibt mich vor das Zelt. Ein Mann steht vor mir und strahlt pure Macht aus. Alles Licht scheint in ihm zu entstehen und die ganze Welt zu erleuchten. Ich gähne laut, und denke "der alte Hägor-Illusions-Trick", drehe mich um und will mich wieder schlafen legen. 
 Da höre ich seine Stimme, sie fängt 
leise an, aber steigert sich, bis mein Körper bei jeder Silbe vibriert.
 »Du hast mir Treue geschworen, als wir uns kennenlernten, Du hast mir Treue geschworen, als wir auseinan-dergingen. Mich gibt es längst nicht mehr, und es wird Zeit, daß die Erinnerung an mich ebenfalls stirbt. Ich entbinde dich deines Treueschwures und verlange ein Letztes von dir. Diene deinem Volk, wie du mir all die Jahre gedient hast. 
Erst Tir Thuatha, dann Tir Krye. Erst Tir Thuatha, dann Du, Siber. Erst Tir Thuatha, dann ich, Hägor ra Manan. «
 Die letzten Worte dehnen sich ins Endlose, ich werde sie mein Lebtag nicht vergessen. Ich drehe mich um, möchte die Gestalt noch einmal sehen, und stelle entsetzt fest, daß ich mich in einem dunklen Saal befinde. Erinnerungen kommen hoch, ich schaue mich um, und erstarre. Ein Thron, der mir nur allzubekannt ist. Wie oft habe ich selbst davor gekniet. Er erstrahlt im hellsten Licht, und endlich verstehe ich die Worte "diene deinem Volk". 
Mein Volk. Ich setze mich auf den Thron, das Licht verlischt und ich fange hemmungslos an zu weinen.

Siber Lobar, Garwydd der Thuatha

 

Liebe, Leben, Sterben lassen,
Seelenbrand in dunkler Nacht
Christian Splitt-Kretzschmar
Remscheid, Mai 1999